Stefan: Nicht jede Geschichte geht schlecht aus…
Mit nur 36 Jahren bekam Stefan die Diagnose Peniskrebs. Da hatte er eine schon fast dreijährige Arzt-Odyssee hinter sich. Von Krebs war in dieser Zeit nie die Rede gewesen. Erst kurz vor der Diagnose wurde das Thema präsent. „Ich dachte, die Statistik ist auf meiner Seite. Dass es Krebs ist, hatte ich nicht erwartet“, berichtet er. Dann kam sie aber mit voller Wucht, die Gewissheit, dass es wirklich Krebs ist. „Der erste Moment war ein Schock, aber an Tod habe ich nicht gedacht“, blickt er zurück: „Ich habe mich gefragt, ob ich jetzt ein Leben ohne Penis führen muss, ob ich noch Sex haben und ‚normal‘ auf die Toilette gehen kann. Und auch das Thema Familienplanung hat mich beschäftigt.“
Nach der niederschmetternden Diagnose holte er sich weitere ärztliche Meinungen ein. „Erst in der dritten Klinik hatte ich den Eindruck, dass solche Operationen dort regelmäßig durchgeführt werden und habe mich sofort gut aufgehoben gefühlt.“ Als klar war, wie die Behandlung aussehen wird, war er beruhigter. Seine Frau war in dieser Zeit immer an seiner Seite.
Auf die Frage, wie sein Umfeld mit seiner Erkrankung umgegangen ist, antwortet Stefan: „Zu Beginn haben die meisten sehr positiv reagiert – auch mein Chef. Später gab es dann andere Situationen. Je länger es dauert, desto mehr schrumpft das Verständnis. So nach dem Motto: Jetzt muss es ihm aber wieder gut gehen.“
Die Krankheitserfahrung verändert vieles – auch das soziale Umfeld. „In dieser Zeit habe ich mir über viele Lebensbereiche Gedanken gemacht“, sagt er. Auch im positiven Sinne, denn es gab ein besonderes Ereignis, an das er kurz nach der Diagnose nicht zu denken gewagt hatte. 2020 ist er Vater von einer Tochter geworden. Für ihn ein unglaubliches Gefühl: „Die Psyche fährt Achterbahn, so viel ist klar.“
Wenn er zurückblickt, ist er sehr zufrieden damit, wie die Behandlung und körperliche Genesung verlaufen sind. „Ich habe die richtigen Entscheidungen getroffen.“ Und dennoch hätte er sich mehr Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung gewünscht – vor allem in der Zeit nach der Akuttherapie. „Es ist irgendwie alles vorhanden, aber viele Unterstützungsangebote sind versteckt oder es gibt Formalitäten, die man nicht erfüllt. Das ist frustrierend. Warum geht das nicht automatisch? Einmal im Jahr sowas wie eine psychische Vorsorge“, das wäre seine Vision.
Den Grund für seine Erkrankung hat Stefan nicht hinterfragt, da es diesen bei Krebs auch oftmals nicht so eindeutig gibt. Aber bei ihm war die Ursache tatsächlich schnell klar. Auslöser war eine Viruserkrankung, genauer gesagt, eine Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV). Diese können Krebsarten wie Gebärmutterhals-, Penis- und Analkrebs sowie auch Krebs im Mund-Rachenbereich auslösen. Gegen bestimmte HP-Viren gibt es mittlerweile eine vorbeugende Impfung für Jungen und Mädchen. Die Impfquoten sind deutschlandweit jedoch niedrig, bei den Jungen sogar sehr niedrig. Auf die Frage, ob ihn das wütend macht, entgegnet er ruhig: „Wütend nicht, aber es alarmiert mich. Ich verstehe schon, dass man sich generell Gedanken macht, Nutzen und Risiken abwägt, aber ich halte die Impfung für eine wichtige Sache, denn sie kann Krebs verhindern. Viele denken, HPV sei nur ein Frauenthema, das ist es wirklich nicht. Ich hoffe, dass ich in meinem Umfeld zur Aufklärung beitragen kann.“
Auf die Frage, was er heute anderen in ähnlicher Lage raten würde, sagt er: „Ruhe bewahren ist nicht verkehrt, auch wenn das schwierig ist. Man sollte sich nicht verrückt machen lassen. Auch nicht googeln.“ „Positiv bleiben“, diesen Satz hat er anfangs oft gehört: „Ich fand das damals doof, aber es stimmt irgendwie.“ In seinem Blog „Der neue Stefan“ berichtet er über seine Erfahrungen. Den Blog hatte er schon vor der Erkrankung. Für ihn war klar, dass er auch über den Krebs schreiben musste. Und so viel lässt sich bislang sagen: „Nicht jede Geschichte geht schlecht aus.“