Yildiz: Habe den Mut dich von dem zu trennen, was dir nicht guttut.

Im Sommer 2018 erkrankte Yildiz im Alter von 44 Jahren an Leukämie. Die Diagnose bekam sie spät. Da hatte sie schon eine regelrechte Arztodyssee hinter sich. Ihr Allgemeinzustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. „Ich war im Ausnahmezustand“, erinnert sie sich. „Da es mir so rapide schlechter ging, dachte ich, ich werde sterben. Ich habe mich gefühlt wie eine verwelkte Pflanze aus der alle Energie herausgesaugt wird.“  

Dann war es „endlich“ klar – Leukämie! Ihre ersten Gedanken und Gefühle nach der Diagnose waren eine Mischung aus Schock, Angst und Traurigkeit, aber da war auch die Erleichterung, dass jetzt endlich etwas unternommen werden konnte. „In der Klinik hat man mich gefragt, ob ich wüsste, dass ich Blutkrebs habe. Das wusste ich. Durch das Wort wurde mir aber erst richtig bewusst, dass es Krebs ist.“ Es folgte eine schwierige Zeit mit Krankenhausaufenthalten und Unterbrechungen bei denen sie nach Hause verlegt werden sollte. „Dafür war ich oftmals viel zu schwach und hat mich sehr verunsichert“, blickt Yildiz zurück.   

Dazu kam ein weiterer Schicksalsschlag, der alles veränderte. „Als ich nach meiner zweiten Chemo wieder zuhause war, klagte mein Mann über Halsschmerzen und Halskratzen. Es wurde Kehlkopfkrebs festgestellt. Er konnte nicht mehr essen und sein Zustand verschlechterte sich stark.“ Beide wurden zeitgleich stationär behandelt. Nach der Therapie ging es ihrem Mann zuerst besser, dann kam der Krebs zurück. Im November 2019 verstarb ihr Mann, da hatte Yildiz gerade die Reha angetreten.

Auf die Frage, wie man das Unfassbare alles verkraftet, entgegnet sie: „Das verkraftet man erstmal gar nicht. Ich musste aber funktionieren. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Mir war klar, jetzt ist ein bedeutender Lebensabschnitt zu Ende. Ich werde nie mehr mit ihm sprechen können. Wir waren seit 1993 zusammen. Da ändert sich das Leben schon radikal.“

Wie lässt sich in dieser Situation Halt und Trost finden? „Ich bin ein sehr spiritueller Mensch. Ich habe viel gelesen und versucht, einen Sinn in allem zu finden“, erklärt sie. „Ich denke, alles, was einem widerfährt, ist von vorneherein geplant. Das macht das Erlebte nicht weniger schlimm, lässt einen das eigene Schicksal aber annehmen.“ Ihre eigene Erkrankung hat Yildiz auch auf gewisse Weise „befreit“. Sie hat sich beruflich verändert. „Ich bin gelernte Frisörmeisterin und war in einem sehr anstrengenden Beruf gefangen. Mein Leben bestand aus viel Arbeit mit langen Arbeitszeiten, viel Stehen und wenig Wertschätzung. Das habe ich verändert“.  

Heute geht es ihr gut. Sie engagiert sich bei der „Frauenselbsthilfe Krebs“ in Krefeld, gibt ihre Erfahrungen weiter und steht anderen Betroffenen zur Seite. Ihr Credo ist die Selbstfürsorge. Was tut mir gut? Was nicht? Habe den Mut dich von dem zu trennen, was dir nicht guttut.