Selentherapie
Selen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Es ist Bestandteil von körpereigenen Enzymen und reguliert den Stoffwechsel sowie die Funktion mehrerer Organe. In chemischer Verbindung mit Natrium (Na) wird es als Na-Selenit optimal vom Körper aufgenommen und in antioxidative Enzyme eingebaut.
Körpereigene antioxidative, selenhaltige Enzyme sind in der Lage, sogenannte „freie Radikale“ zu neutralisieren, die u. a. bei Chemo- und Strahlentherapien vermehrt entstehen.
Freie Radikale sind chemisch hochreaktive Sauerstoffmoleküle, die in gesunden Zellen Entartung, Funktionsverlust und Entzündungsreaktionen hervorrufen können. Durch Selen aktivierte antioxidative Enzyme können die Körperzellen hiervor schützen.
Krebszellen hingegen haben einen anderen Stoffwechsel und andere Regenerationsmechanismen als gesunde Zellen. Die antioxidativen Enzyme werden in Krebszellen nicht durch Selen aktiviert. Demnach werden sie durch Selen nicht geschützt. In experimentellen Untersuchungen konnte vielmehr gezeigt werden, dass die krebszelltötenden Effekte der Chemo- und Strahlentherapie durch Zugabe von Na-Selenit verstärkt werden konnten.(1,2)
In klinischen Studien hat sich weiterhin gezeigt, dass u. a. Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapien abnehmen, wenn Na-Selenit komplementär verabreicht wird. (3,4,5) Dies geht einher mit einer verbesserten Lebensqualität. Auf dieser Basis kann die Standardbehandlung in optimaler Dosierung und Zeitabfolge durchgeführt werden. Dies wiederum bedeutet für Patientinnen und Patienten eine optimale Heilungschance.
Bewertung
Grundlage für die komplementäre Gabe von Na-Selenit unter Chemo- und Strahlentherapie ist die Erkenntnis, dass
- ernährungsbedingter Selenmangel bei Krebspatienten weit verbreitet ist und daher ausgeglichen werden sollte.
- Na-Selenit in experimentellen Versuchsanordnungen die Wirksamkeit von Chemo-/Strahlentherapien verstärkt
- Na-Selenit in klinischen Untersuchungen die Lebensqualität von Patienten unter Chemo-/Strahlentherapien verbessert.
Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der komplementären Gabe von Na-Selenit während einer Chemo-/Strahlentherapie sind durch Studien bewiesen(6,7,8). Selen (100 – 150 Mikrogramm pro Tag), wird international als „Chemopräventivum“, also als krebsvorbeugendes Mittel empfohlen.
Nach Möglichkeit sollte jedoch der Selenbedarf im Anschluss an die Therapien durch Ernährungsoptimierung und nur in speziellen Fällen durch die Einnahme von selenhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln erfolgen.
Hinweis
Aktuellen Lehrbuchempfehlungen zufolge sollte die Selenkonzentration im Blut (Serum/Plasma) 120 bis 140 μg/l betragen. Der Studienlage entsprechend bewirken 120 μg/l ein Optimum für selenhaltige Enzyme (Selenoprotein P) sowie Schutz vor einigen Krebserkrankungen, 140 μg/l Schutz vor einigen Krebsarten sowie die Verminderung der Mortalität (Sterblichkeit). Selenabhängige Nebenwirkungen sind ab Blutwerten von 160 μg/l belegt, toxische Effekte ab 490 μg/l.(9)
Tipp
Selenreiche Lebensmittel sind Nüsse, Getreideprodukte, Fisch, Milch, Käse, Eier, Pilze, Hülsenfrüchte und Fleisch.
Anwendung
Die komplementärmedizinisch empfehlenswerte Selengabe begleitend zu einer Chemo-/Strahlentherapie beträgt 300 Mikrogramm Na-Selenit pro Tag. Na-Selenit ist für den Organismus direkt verfügbar und deshalb während einer Chemo-/Strahlentherapie organischen Selenpräparaten vorzuziehen. Überdosierungen von Selen sind äußerst selten und treten nur bei nicht vorschriftsmäßiger Anwendung auf. Anzeichen, die auf eine Überdosierung hinweisen, sind u.a. knoblauchartiger Atemgeruch, Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen. In derartigen Fällen muss die Selengabe sofort abgesetzt werden!
Achtung
Na-Selenit-haltige Präparate sollten nicht mit Vitamin-C-haltigen Präparaten, Getränken oder Speisen eingenommen werden! Na-Selenit wird durch Vitamin-C in eine für den Organismus nicht verwertbare Form umgewandelt. Aus diesem Grunde sollte zwischen der Aufnahme von Na-Selenit und Vitamin-C mindestens eine Stunde Abstand eingehalten werden!
Quellen
(1) Hehr T et al. (1999). Präklinische und klinische Relevanz der radioprotektiven Wirkung von Natriumselenit. InFo Onkologie. 2(Suppl. 2):25–29.
(2) Roth T et al. (1999). Cytotoxic Profile of Sodium Selenite (selenase®) and Sodium Selenite in Combination with Clinically Used Chemotherapeutic Agents in Human Tumor Models In Vitro. InFo Onkologie. 2(Suppl. 2):30–39.
(3) Gröber U et al. (2013). Komplementärer Einsatz von Antioxidanzien und Mikronährstoffen in der Onkologie. Der Onkologe. 19(2):136–143.
(4) Bruns F et al. (2004). Selenium in the treatment of head and neck lymphedema. Medical Principles and Practice. 13(4):185–190.
(5) Muecke R et al. (2010). Multicenter, phase 3 trial comparing selenium supplementation with observation in gynecologic radiation oncology. International journal of radiation oncology, biology, physics. 78(3):828–835.
(6) Bruns F et al. (2004). Selenium in the treatment of head and neck lymphedema. Medical Principles and Practice. 13(4):185–190.
(7) Muecke R et al. (2010). Multicenter, phase 3 trial comparing selenium supplementation with observation in gynecologic radiation oncology. International journal of radiation oncology, biology, physics. 78(3):828–835.
(8) Mücke R et al. (2010). Komplementärer Seleneinsatz in der Onkologie. Der Onkologe. 16(2):181–186.
(9) Knasmüller S (Hrsg.) (2014). Krebs und Ernährung. Risiken und Prävention – wissenschaftliche Grundlagen und Ernährungsempfehlungen. Stuttgart: Thieme. S. 206-211.